Als Reaktion auf das 2015 unterzeichnete Pariser Klimaübereinkommen hat die Europäische Kommission 2018 den Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Die Finanzbranche spielt dabei eine tragende Rolle und muss neue Anlagechancen ausloten.

Armin Eiche, CEO, Pictet Wealth Management, Deutschland

Foto: Pictet

Im Jahr 2015 vereinbarten 195 Länder das Pariser Klimaschutzübereinkommen und damit das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. In der Folge hat die Europäische Kommission 2018 den Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet. Dieser Plan beruht auf der Erkenntnis, dass auch die Finanzbranche eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Ziele des Pariser Übereinkommens spielt.

Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit der Forderung nach Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 bringt nun zusätzlichen Schub. Und auch bei Anlegern hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass ihre Anlageentscheidungen Folgen für den Klimawandel haben und im besten Fall sogar eine positive Wirkung erzielen. Bei Familienunternehmen kommen durch den fortlaufenden Generationenwechsel weitere Impulse hinzu, da sich die jungen Gesellschafter stärker für Aspekte der Nachhaltigkeit interessieren. Immer mehr Investitionen fließen somit in nachhaltige Unternehmens– und Vermögensstrategien. Allein in Europa beläuft sich ihr Volumen inzwischen auf mehrere Billionen Euro.

Anlagestrategien mit ESG-Integration berücksichtigen dabei neben der traditionellen Finanzanalyse auch ESG-Faktoren, also Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien sowie Nachhaltigkeitsrisiken. Produkte mit ESG-Bindung gehen noch einen Schritt weiter: Sie integrieren nicht nur die ESG-Analyse in den Anlageprozess, sondern wählen auch aktiv Unternehmen mit besseren ESG-Kennzahlen aus und schließen bestimmte kontroverse Aktivitäten aus, um nicht nur ökologische, sondern auch soziale Merkmale zu fördern. Weist ein Unternehmen trotz ESG-Bindung schlechte ESG-Kennzahlen auf, dann ist ein aktiver Dialog zwischen den Anlegern, dem Management und den Stimmrechtsvertretungen gefragt, um den betroffenen Bereich zu verbessern.

Anlageprodukte der Kategorie „positive Impact“ müssen ein klar nachhaltiges Investitionsziel und positive soziale und ökologische Auswirkungen haben. Sie sollten also weiter gehen, als nur Negatives zu vermeiden, und vielmehr in Unternehmen investieren, die einen aktiven Beitrag zu einer besseren Zukunft leisten. Welche Anlagechancen ergeben sich nun unter diesen neuen Rahmenbedingungen?

China, Europa, USA wetteifern um die Netto-Null

Als drittgrößter Emittent von Treibhausgasen der Welt hat die EU bisher eine Führungsrolle auf dem Weg zur Netto-Null. Die politischen Entscheidungsträger der EU haben sich im Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu senken und die Netto-Null bis 2050 zu erreichen. Die EU plant, etwa 30 Prozent ihres Gesamtbudgets bis 2027 für klimafreundliche Initiativen und die Energiewende bereitzustellen. Diese Ziele stehen im Zentrum des Konjunkturprogramms der EU und sind Teil des europäischen Grünen Deals mit Anreizen für Unternehmen, in umweltfreundliche Technologien zu investieren, saubere Alternativen für den privaten und öffentlichen Verkehr zu unterstützen, den Energiesektor zu entkarbonisieren und die Energieeffizienz der Gebäude zu verbessern.

In einer seiner ersten Amtshandlungen leitete US-Präsident Joe Biden die Rückkehr der USA zum Pariser Abkommen ein und verkündete, dass sein Land die Netto-CO2-Emissionen bis 2050 auf null reduzieren werde. Im April 2021 stellte er ein 2,3 Billionen US-Dollar schweres Programm für Infrastruktur und nachhaltige Energiegewinnung vor, mit dem die USA China auf dem Weg zur Netto-Null überholen wollen. Dieser Wettbewerb zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt könnte sehr positiv für die globale Energiewende sein und die Entwicklung neuer Technologien fördern, die zur Reduzierung der Kosten alternativer Energiequellen beitragen.

Als größter Kohlenstoffemittent und zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist Chinas Vorgehen auf dem Weg zur Netto-Null von höchster Bedeutung. Präsident Xi Jinping gab im vergangenen Jahr das Ziel vor, den Scheitelpunkt chinesischer Emissionen im Jahr 2030 zu erreichen und bis 2060 CO2-neutral zu sein. Außerdem sollten erneuerbare Energien bis 2030 ein Viertel von Chinas Primärenergieverbrauch ausmachen. Im März 2021 hat China zusätzliche konkret bezifferte Energieziele gesetzlich verankert, die weitere Rückschlüsse auf Chinas Strategie der Entkarbonisierung zulassen.

Alte und neue Technologien mit Wachstumspotential

Während viele Technologien noch in der Entwicklungsphase stecken und bisher nicht kommerziell skalierbar sind, betreffen die gängigsten Anlagemöglichkeiten bewährte Technologien, unter anderem solche, die zwar noch auf staatliche Subventionen angewiesen sind, deren Abhängigkeit aber stetig abnimmt. Und solche, deren Nachfrage durch staatliche Regulierung positiv beeinflusst wird, darunter die Elektrifizierung des Straßenverkehrs, die Gewinnung erneuerbarer Energien sowie alternative Kraftstoffe und Biokunststoffe. Diese drei Bereiche bieten in den nächsten Jahrzehnten ein erhebliches Wachstumspotential. Für Offshore-Windenergie allein wird bis 2030 ein Jahreswachstum von 20 Prozent erwartet.

Auch Technologien in der Entwicklungsphase versprechen hohes Wachstum. Viele davon sind daher noch auf erhebliche staatliche Unterstützung oder auf Venture-Kapital angewiesen. Zwei sich rasch entwickelnde Bereiche sind „grüner“ Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen sowie die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS). Entlang der Energieversorgungskette könnte auch Wasserstoff große Anlagechancen bieten. Derzeit wird mit fossilen Brennstoffen erzeugter („blauer“) Wasserstoff in großem Umfang in Raffinerien und der Petrochemie eingesetzt. Die Produktion von „grünem“ Wasserstoff, der durch Elektrolyse und unter dem Einsatz von 100 Prozent Ökostrom erzeugt wird, ist dagegen noch sehr teuer, könnte aber innerhalb von fünf Jahren wettbewerbsfähig werden.

Risiken im Blick behalten

Viele neue Technologien zur nachhaltigen Energiegewinnung werden in den nächsten Jahrzehnten entwickelt werden. Dabei könnte sich erst jenseits des Anlagehorizonts von Privatanlegern abzeichnen, welche sich durchsetzen werden. Kurz- und mittelfristige Rückschläge und Verzögerungen werden den längerfristigen Trend zwar nicht aus der Bahn werfen, können sich vorerst aber negativ auf die Rendite auswirken. Aufgrund der vielen, ständig neu- und weiterentwickelten Technologien und Regulierungen dürfte der Markt dynamisch bleiben. Derzeit ist beispielsweise die Energiegewinnung durch Kernfusion im Gespräch.

Sollte dies möglich werden, wird sich der Bedarf anderer erneuerbarer Energiequellen vermutlich verringern. Das würde sich auf die Rentabilität dieser Technologien auswirken und könnte sie sogar überflüssig machen, bevor sie überhaupt vermarktet werden. Doch auch unter Berücksichtigung dieser Aspekte werden die Anlagechancen auf dem Weg zur Netto-Null die Risiken überwiegen.

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